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Teil 4: Vergabeverfahren & Mittelstandsinteressen

Wie lassen sich mittelständische Interessen in ein PPP-Projekt einbeziehen?
Nach welchen Kriterien sollten die Anwendungsbereiche der VOB/A und VOL/A bei gemischtwirtschaftlichen Verträgen abgegrenzt werden?
Kann das Eigenleistungserfordernis für die privaten, insbesondere mittelständischen Unternehmen im Zuge einer PPP ein Problem darstellen?
Muss bei PPP-Projekten auf kommunaler Ebene der örtliche bzw. regional ansässige Mittelstand damit rechnen, im Rahmen des eigentlichen PPP-Projektes oder im Nachgang durch eine PPP-Betreibergesellschaft, bisher kommunal direkt vergebene Aufträge zu verlieren?
Ist die Bildung von Bietergemeinschaften oder die Änderung ihrer Zusammensetzung auch noch nach dem Teilnahmewettbewerb bzw. der Angebotsabgabe möglich?
Ist der Mittelstand bei PPP-Projekten nicht schon aufgrund des in der Regel großen Projektvolumens, das von kleineren Unternehmen nicht bewältigt werden kann, benachteiligt?

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Wie lassen sich mittelständische Interessen in ein PPP-Projekt einbeziehen?

Zunächst einmal sollten die Anforderungen an die Bieter nicht zu hoch angesetzt werden. Ein kleineres Bauunternehmen kann kaum Erfahrungen aus mehreren PPP-Referenzprojekten mitbringen. Bewirbt sich eine Bietergemeinschaft, sollte zumindest nicht von jedem Mitglied der Gemeinschaft ein solcher Nachweis verlangt werden.

Mit Verabschiedung des ÖPP-Beschleunigungsgesetzes wurde klar gestellt, dass die Rechtsform einer solchen Bietergemeinschaft nicht schon für das Vergabeverfahren festgelegt werden muss.

Mittelständische Interessen sind mit der Verpflichtung des Hauptauftragnehmers zu stärken, bei der Unterbeauftragung von Leistungen vorrangig kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist die Vorlage einer entsprechenden Erklärung über den Nachunternehmereinsatz obligatorisch. Die Zulassung bzw. Förderung der Bildung von Bietergemeinschaften kann ebenfalls dazu beitragen, die Chancen einer Beteiligung von KMU an PPP-Projekten zu verbessern.

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Nach welchen Kriterien sollten die Anwendungsbereiche der VOB/A und VOL/A bei gemischtwirtschaftlichen Verträgen abgegrenzt werden?

Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) gibt in § 99 Abs. 7. und 8. Hinweise, welche Vergabe- und Vertragsordnung bei Verträgen, deren Leistungen sich aus Elementen der VOL, VOB und ggf. VOF zusammensetzen, zugrunde zu legen ist. Im Gegensatz zu klassischen Bauausschreibungen widerspricht eine Ausschreibung getrennt nach den jeweiligen Vergabe- und Vertragsordnungen bei PPP-Projekten dem ganzheitlichen Ansatz dieser Vorhaben, der in der Regel den gesamten Lebenszyklus eines Objektes umfasst und somit die Elemente Planung, Bauphase und Betrieb / Unterhaltung vereint.

Grundsätzlich gilt, dass der öffentliche Auftraggeber immer anhand des konkreten Einzelfalls die Entscheidung zu treffen hat, nach welchen vergaberechtlichen Regelungen ein gemischter Bau- und Liefer- bzw. Dienstleistungsvertrag auszuschreiben ist. Abzustellen ist danach stets auf den Leistungsbereich (Bau-, Dienst- oder Lieferleistung), auf dem der Schwerpunkt der Investitionen liegt sowie auf den Leistungen, die den Vertrag prägen. Dazu sind vor einem Vergabeverfahren die geschätzten Barwerte der Bauleistung und der folgenden Bauunterhaltung dem entsprechenden Barwert aller Dienstleistungen gegenüber zu stellen.

Folgende Fallkonstellationen sind denkbar:

a) Gemischte Dienst- und Lieferleistungen

Enthält ein Auftrag sowohl Anteile von Dienst-, als auch von Lieferleistungen, so bestimmt sich die vergaberechtliche Einordnung danach, bei welchen Leistungsanteilen der Wert überwiegt (z.B. § 1a Nr. 1 Absatz 2 VOL/A - Abschnitt 2). Sollte wider Erwarten das Übergewicht eines Leistungsanteils nicht möglich sein, so kann der öffentliche Auftraggeber frei über eine entsprechende Einordnung entscheiden. An diese Entscheidung ist er dann jedoch gebunden.

b) Dienst- bzw. Lieferleistungen und Bauleistungen

Der Grundsatz der Zuordnung nach dem Überwiegen des Wertes wird für die Abgrenzung von Bauauftragsanteilen zu Dienst- und Lieferleistungsanteilen durchbrochen: Bei der Abgrenzung erhalten die Bauleistungen ein höheres Gewicht. Nur wenn die Bauleistungen von untergeordneter Bedeutung sind, ist ein derart gemischter Auftrag als Dienst- und Lieferauftrag einzuordnen. Überwiegt beispielsweise der Wert der Dienstleistungen geringfügig (45% Bauleistung zu 55% Dienst- oder Lieferleistung oder 40% Bauleistung zu 60% Liefer- oder Dienstleistung), ist der Auftrag vollständig als öffentlicher Bauauftrag zu behandeln.

Ist aber bei der Lieferung von Waren beispielsweise das Verlegen und Anbringen lediglich als Nebenarbeit anzusehen (s. Art. 1 Abs. 2 Buchst. c) Satz 2 RL 2004/18/EG), liegt kein Bauauftrag mehr vor. Damit wäre eine Bauleistung von 5% bis 10% bei einem Lieferanteil von 90% bis 95% nicht als Bauauftrag, sondern als Lieferauftrag zu qualifizieren.

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Kann das Eigenleistungserfordernis für die privaten, insbesondere mittelständischen Unternehmen im Zuge einer PPP ein Problem darstellen?

Im Rahmen eines Vergabeverfahrens muss der öffentliche Auftraggeber stets die Fachkunde, Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Gesetzestreue aller Bieter prüfen. Bei PPP-Projekten ist der Anforderungskatalog allerdings weiter gefasst. Hier sind insbesondere kombinierte Leistungsbereiche aus Planung, Finanzierung, Bau, Bauunterhaltung und weitere Dienstleistungen (Facility-Management) über eine lange Laufzeit gefragt, die kaum ein Einzelbieter aus eigner Hand erbringen kann.

An dieser Stelle ist auch auf die Möglichkeit der Präqualifikation hinzuweisen, die den Eignungsnachweis erheblich erleichtern kann.

Nähere Hinweise finden Sie hier
- für den Bereich Bau (VOB)
- für den Liefer- und Dienstleistungsbereich (VOL)

Wenn ein Bieter die überwiegende Leistung nicht im eigenen Betrieb erbringt, muss eine Abweichung von der herkömmlichen Eignungsprüfung erfolgen. Folglich werden entsprechende Subunternehmer zur Leistungserbringung eingesetzt oder es bilden sich geeignete Bietergemeinschaften. Damit steht hier der Nachweis des Bieters im Vordergrund, die Tätigkeit von Subunternehmern bestmöglich zu organisieren und zu koordinieren.

Nach der einschlägigen europäischen Rechtsprechung darf kein Unternehmen vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, nur weil dieses den Einsatz bestimmter Leistungen durch andere Einrichtungen zur Erfüllung des Vertrages erbringen lassen will. Folglich ist der Generalübernehmer als Bieter bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nach VOB/A bzw. VOL/A zuzulassen, sofern dieser innerhalb der Bewerbungsfrist nachweist, dass er tatsächlich über die Leistungsfähigkeit und die Mittel eines oder mehrere Subunternehmer verfügen kann, welche er nicht selbst besitzt bzw. erbringt.

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Muss bei PPP-Projekten auf kommunaler Ebene der örtliche bzw. regional ansässige Mittelstand damit rechnen, im Rahmen des eigentlichen PPP-Projektes oder im Nachgang durch eine PPP-Betreibergesellschaft, bisher kommunal direkt vergebene Aufträge zu verlieren?

Die Berücksichtigung mittelständischer Interessen ist bereits in § 97 Abs. 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) festgeschrieben und wurde in der Vergaberechtsnovellierung von 2009 gestärkt. Dort heißt es: "Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der Auftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge an Dritte vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren."

Mit der Neufassung von 2009 beschränken sich die Gründe für eine Gesamtvergabe auf wirtschaftliche oder technische Gründe. Bei PPP-Projekten, bei denen die Wirtschaftlichkeit mittels einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung dargestellt wurde, kann damit ein wirtschaftlicher Grund für eine Gesamtvergabe vorliegen. Dies ist jeweils im Einzelfall im Vergabevermerk darzulegen. Jedoch ist auch hier bei größeren Projekten ggf. eine Aufteilung in Teillose angezeigt. Als Beispiel kann hier das Schulprojekt in Köln genannt werden, bei dem ein gesondertes sog. Handwerkerlos ausgeschrieben wurde.

Außerdem hat Niedersachsen seit 1978 ein Gesetz zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen, welches die Stellung des Mittelstandes sichert und im Wettbewerb stärkt. Die Regelungen entsprechen weitgehend den Regelungen im GWB. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind am Verfahren zur Vergabe und Weitervergabe öffentlicher Aufträge zu beteiligen. Ferner sind Leistungen unter Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen so in Teillose und Fachlose zu zerlegen, dass sich auch KMU an der Angebotsabgabe beteiligen können. Bei der Weitervergabe an Nachunternehmer besteht ebenfalls die Verpflichtung zur Berücksichtigung von KMU. Des Weiteren sehen die rechtlichen Bestimmungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge, insbesondere auch die VOL/A, verschiedene Möglichkeiten vor, die Teilnahme von KMU am Wettbewerb um öffentliche Aufträge zu fördern:

  • Aufteilung der Leistung in Fach- und Teillose,
  • Zulassung der Angebote von Arbeitsgemeinschaften von KMU,
  • angemessene Beteiligung bei der Erteilung von Unteraufträgen.

Mit dem am 01.01.2003 in Kraft getretenen Niedersächsischen Landesvergabegesetz (LVergabeG) ist die Verbindlichkeit der mittelstandsfreundlichen Bestimmungen der VOB/A und VOL/A auch auf öffentliche Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte ausgedehnt worden, sofern der Auftragswert eine festgelegte Höhe übersteigt. Bei Vergaben nach der VOB ist dieses Gesetz zusätzlich zu beachten. Weitere Informationen zum Landesvergabegesetz und zum öffentlichen Auftragswesen finden Sie hier.

Damit ist festzuhalten, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen so gestaltet sind, dass auch mittelständische Unternehmen vor Ort von PPP-Projekten profitieren. Siehe hierzu auch Frage 6 (letzte Frage).

Bei der Begleitung der niedersächsischen PPP-Modellprojekte wird geprüft, ob auch kleine und mittlere Unternehmen von dem Vorhaben profitieren.

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Ist die Bildung von Bietergemeinschaften oder die Änderung ihrer Zusammensetzung auch noch nach dem Teilnahmewettbewerb bzw. der Angebotsabgabe möglich?

Grundsätzlich sind Bietergemeinschaften und andere gemeinschaftliche Bewerber den Einzelbewerbern nach den Bestimmungen der VOB und VOL gleichzusetzen und daher zum Wettbewerb zugelassen. Für den Baubereich unterliegt die Gleichstellung der Bietergemeinschaften mit Einzelbietern weitergehenden Anforderungen, wonach grundsätzlich die Arbeiten im eigenen Betrieb oder in den Mitgliedsunternehmen ausgeführt werden sollten.

Im Rahmen eines Vergabeverfahrens muss der öffentliche Auftraggeber stets die Fachkunde, Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Gesetzestreue der Bieter prüfen. Einer Lockerung der bestehenden vergaberechtlichen Regelungen hinsichtlich der Bildung von Bietergemeinschaften oder der Änderung ihrer Zusammensetzung nach erfolgtem Teilnahmewettbewerb bzw. der Angebotsabgabe ist unter Hinweis auf den Wettbewerbs-, Transparenz- und Nichtdiskriminierungsgrundsatz nicht zulässig. Eine Bietergemeinschaft hätte ansonsten nach Zuschlagserteilung diverse Manipulationsmöglichkeiten in der Zusammensetzung der Mitglieder, so dass die im Vergabeverfahren geprüfte Eignung der Bietergemeinschaft nicht mehr gegeben sein könnte. Insoweit hätte das Prüfverfahren nur noch deklaratorischen Charakter. Damit liefen die Grundsätze und Ziele des öffentlichen Auftragswesens ins Leere.

Die formale Gründung einer Gesellschaft muss jedoch nicht schon im Laufe des Vergabeverfahrens erfolgen, sondern erst im Fall der Auftragsvergabe.

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Ist der Mittelstand bei PPP-Projekten nicht schon aufgrund des in der Regel großen Projektvolumens, das von kleineren Unternehmen oftmals nicht bewältigt werden kann, benachteiligt?

Bis vor einigen Jahren ging man davon aus, dass nur Projekte ab einem Investitionsvolumen von ca. 10 Mio. € im Rahmen von PPP-Modellen wirtschaftlich sein können. Inzwischen hat man festgestellt, dass auch kleinere Projekte ab ca. 3 Mio. € durchaus wirtschaftlich gestaltet werden können.

Das Deutsche Institut für Urbanistik hat 2008 in einer Studie 30 ausgewählte PPP-Projekte hinsichtlich der Einbindung des Mittelstandes untersucht. Dabei hat sich gezeigt, dass auf der ersten (Hauptauftragnehmer-)Ebene die Beteiligung von kleinen und mittleren Unternehmen hinsichtlich der Zahl der Projekte bei 47 Prozent lag und somit von einer Benachteiligung des Mittelstandes nicht gesprochen werden kann. Auf der Nachunternehmerebene sind im Durchschnitt zwischen 70 und 80 Prozent KMU eingebunden und deutlich mehr als die Hälfte der Wertschöpfung der Projekte bleibt in der Region. Die Studie finden Sie bei den Informationsmaterialien.

Für kleinere Unternehmen ist es sicherlich sinnvoll, sich mit anderen Unternehmen in Bietergemeinschaften zusammen zu schließen und ein gemeinsames Angebot abzugeben. Ein anderer Ansatz könnte sein, sich zunächst als Nachunternehmer in einem PPP-Projekt zu engagieren und in einem weiteren Projekt selbst als Bieter aufzutreten.

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