Niedersachsen klar Logo

Teil 4: Vergabeverfahren & Mittelstandsinteressen

Wie lassen sich mittelständische Interessen in ein PPP-Projekt einbeziehen?
Nach welchen Kriterien sollten die Anwendungsbereiche der VOB/A und VOL/A bei gemischtwirtschaftlichen Verträgen abgegrenzt werden?
Kann das Eigenleistungserfordernis für die privaten, insbesondere mittelständischen Unternehmen im Zuge einer PPP ein Problem darstellen?
Muss bei PPP-Projekten auf kommunaler Ebene der örtliche bzw. regional ansässige Mittelstand damit rechnen, im Rahmen des eigentlichen PPP-Projektes oder im Nachgang durch eine PPP-Betreibergesellschaft, bisher kommunal direkt vergebene Aufträge zu verlieren?
Ist die Bildung von Bietergemeinschaften oder die Änderung ihrer Zusammensetzung auch noch nach dem Teilnahmewettbewerb bzw. der Angebotsabgabe möglich?
Ist der Mittelstand bei PPP-Projekten nicht schon aufgrund des in der Regel großen Projektvolumens, das von kleineren Unternehmen nicht bewältigt werden kann, benachteiligt?

________________________

Wie lassen sich mittelständische Interessen in ein PPP-Projekt einbeziehen?

Zunächst einmal sollten die Anforderungen an die Bieter nicht zu hoch angesetzt werden. Ein kleineres Bauunternehmen kann kaum Erfahrungen aus mehreren PPP-Referenzprojekten mitbringen. Bewirbt sich eine Bietergemeinschaft, sollte zumindest nicht von jedem Mitglied der Gemeinschaft ein solcher Nachweis verlangt werden.

Mit Verabschiedung des ÖPP-Beschleunigungsgesetzes (siehe Phase III) wurde klar gestellt, dass die Rechtsform einer solchen Bietergemeinschaft nicht schon für das Vergabeverfahren festgelegt werden muss.

Mittelständische Interessen können u.a. mit der Verpflichtung des Hauptauftragnehmers gestärkt werden, bei der Unterbeauftragung von Leistungen vorrangig kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist die Vorlage einer entsprechenden Erklärung über den Nachunternehmereinsatz sinnvoll. Die Zulassung bzw. Förderung der Bildung von Bietergemeinschaften kann ebenfalls dazu beitragen, die Chancen einer Beteiligung von KMU an PPP-Projekten zu verbessern. Um diesen die Inhalte des Projekts näher zu bringen, könnte beispielsweise im Vorfeld der Ausschreibung des PPP-Projekts ein Bieterworkshop durchgeführt werden, in dem bewusst auch die Ideen und Konzepte potenzieller kleinerer Bieter abgefragt werden.

nach oben

Nach welchen Kriterien sollten die Anwendungsbereiche der VOB/A und VOL/A bei gemischtwirtschaftlichen Verträgen abgegrenzt werden?

Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) enthält keine Vorgabe, welche Verdingungsordnung bei Verträgen, dessen Leistungen sich aus Elementen der VOL, VOB und ggf. VOF zusammensetzen, zugrunde zu legen ist. Im Gegensatz zu klassischen Bauausschreibungen widerspricht eine Ausschreibung getrennt nach den jeweiligen Verdingungsordnungen bei PPP-Projekten dem ganzheitlichen Ansatz dieser Vorhaben, der in der Regel den gesamten Lebenszyklus eines Objektes umfasst und somit die Elemente Planung, Bauphase und Betrieb / Unterhaltung vereint.

Grundsätzlich gilt, dass der öffentliche Auftraggeber immer anhand des konkreten Einzelfalls die Entscheidung zu treffen hat, nach welchen vergaberechtlichen Regelungen ein gemischter Bau- und Liefer- bzw. Dienstleistungsvertrag auszuschreiben ist. Abzustellen ist danach stets auf den Leistungsbereich (Bau-, Dienst- oder Lieferleistung), auf dem der Schwerpunkt der Investitionen liegt sowie auf den Leistungen, die den Vertrag prägen. Dazu sind vor einem Vergabeverfahren die geschätzten Barwerte der Bauleistung und der folgenden Bauunterhaltung dem entsprechenden Barwert aller Dienstleistungen gegenüber zu stellen.

Folgende Fallkonstellationen sind denkbar:

a) Gemischte Dienst- und Lieferleistungen

Enthält ein Auftrag sowohl Anteile von Dienst-, als auch von Lieferleistungen, so bestimmt sich die vergaberechtliche Einordnung danach, bei welchen Leistungsanteilen der Wert überwiegt (z.B. § 1a Nr. 1 Absatz 2 VOL/A - Abschnitt 2). Sollte wider Erwarten das Übergewicht eines Leistungsanteils nicht möglich sein, so kann der öffentliche Auftraggeber frei über eine entsprechende Einordnung entscheiden. An diese Entscheidung ist er dann jedoch gebunden.

b) Dienst- bzw. Lieferleistungen und Bauleistungen

Der Grundsatz der Zuordnung nach dem Überwiegen des Wertes wird für die Abgrenzung von Bauauftragsanteilen zu Dienst- und Lieferleistungsanteilen durchbrochen: Bei der Abgrenzung erhalten die Bauleistungen ein höheres Gewicht. Nur wenn die Bauleistungen von untergeordneter Bedeutung sind, ist ein derart gemischter Auftrag als Dienst- und Lieferauftrag einzuordnen. Überwiegt beispielsweise der Wert der Dienstleistungen geringfügig (45% Bauleistung zu 55% Dienst- oder Lieferleistung oder 40% Bauleistung zu 60% Liefer- oder Dienstleistung), ist der Auftrag vollständig als öffentlicher Bauauftrag zu behandeln.

Ist aber bei der Lieferung von Waren beispielsweise das Verlegen und Anbringen lediglich als Nebenarbeit anzusehen (s. Art. 1 Abs. 2 Buchst. c) Satz 2 RL 2004/18/EG), liegt kein Bauauftrag mehr vor. Damit wäre eine Bauleistung von 5% bis 10% bei einem Lieferanteil von 90% bis 95% nicht als Bauauftrag, sondern als Lieferauftrag zu qualifizieren.

nach oben

Kann das Eigenleistungserfordernis für die privaten, insbesondere mittelständischen Unternehmen im Zuge einer PPP ein Problem darstellen?

Im Rahmen eines Vergabeverfahrens muss der öffentliche Auftraggeber stets die Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit aller Bieter prüfen, um die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes zu ermitteln. Bei PPP-Projekten ist der Anforderungskatalog allerdings weiter gefasst. Hier sind insbesondere kombinierte Leistungsbereiche aus Planung, Finanzierung, Bau, Bauunterhaltung und weitere Dienstleistungen (Facility-Management) über eine lange Laufzeit gefragt, die kaum ein Einzelbieter aus eigner Hand erbringen kann.

Hiernach kann kein Bieter die überwiegende Leistung im eigenen Betrieb erbringen, so dass eine Abweichung von der herkömmlichen Eignungsprüfung erfolgen muss. Folglich werden entsprechende Subunternehmer zur Leistungserbringung eingesetzt oder es bilden sich geeignete Bietergemeinschaften.

Nach der einschlägigen europäischen Rechtsprechung darf kein Unternehmen vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, nur weil dieses den Einsatz bestimmter Leistungen durch andere Einrichtungen zur Erfüllung des Vertrages erbringen lassen will. Folglich ist der Generalübernehmer als Bieter bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nach VOB/A bzw. VOL/A zuzulassen, sofern dieser innerhalb der Bewerbungsfrist nachweist, dass er tatsächlich über die Leistungsfähigkeit und die Mittel eines oder mehrere Subunternehmer verfügen kann, welche er nicht selbst besitzt bzw. erbringt.

Damit steht hier der Nachweis des Bieters im Vordergrund, die Tätigkeit von Subunternehmern bestmöglich zu organisieren und zu koordinieren.

nach oben

Muss bei PPP-Projekten auf kommunaler Ebene der örtliche bzw. regional ansässige Mittelstand damit rechnen, im Rahmen des eigentlichen PPP-Projektes oder im Nachgang durch eine PPP-Betreibergesellschaft, bisher kommunal direkt vergebene Aufträge zu verlieren?

Die Berücksichtigung mittelständischer Interessen ist bereits in § 97 Abs. 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) festgeschrieben. Dort heißt es: "Mittelständische Interessen sind vornehmlich durch Teilung der Aufträge in Fach- und Teillose angemessen zu berücksichtigen." Die Gründe für ein Abweichen sind in den Akten darzulegen.

Außerdem hat Niedersachsen seit 1978 ein Gesetz zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen, welches die Stellung des Mittelstandes sichert und im Wettbewerb stärkt. Hiernach sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU) am Verfahren zur Vergabe und Weitervergabe öffentlicher Aufträge zu beteiligen. Ferner sind Leistungen unter Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen so in Teillose und Fachlose zu zerlegen, dass sich auch KMU an der Angebotsabgabe beteiligen können. Bei der Weitervergabe an Nachunternehmer besteht ebenfalls die Verpflichtung zur Berücksichtigung von KMU. Des Weiteren sehen die rechtlichen Bestimmungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge, insbesondere auch die VOL/A, verschiedene Möglichkeiten vor, die Teilnahme von KMU am Wettbewerb um öffentliche Aufträge zu fördern:

  • Aufteilung der Leistung in Fach- und Teillose (§5 VOL/A),
  • Zulassung der Angebote von Arbeitsgemeinschaften von KMU (§7 Nr.1 Abs.2 VOL/A),
  • angemessene Beteiligung bei der Erteilung von Unteraufträgen (§10 Nr.2 VOL/A).

Mit dem am 01.01.2003 in Kraft getretenen Niedersächsischen Landesvergabegesetz (LVergabeG) ist die Verbindlichkeit der mittelstandsfreundlichen Bestimmungen der VOB/A und VOL/A auch auf öffentliche Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte ausgedehnt worden, sofern der Auftragswert eine festgelegte Höhe übersteigt (zur Zeit 30.000 €). Die Bekämpfung von Lohndumping im Bauwesen durch die Forderung einer Tariftreueerklärung und die Verpflichtung zur Überprüfung unangemessen niedriger Angebotspreise stellen weitere Maßnahmen zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zulasten des Mittelstandes dar.

Auch die derzeit ruhende Novellierung des Vergaberechts auf Bundesebene enthält in den vorliegenden Entwürfen entsprechende Passagen über die Berücksichtigung mittelständischer Interessen sowie die Gleichsetzung von Bietergemeinschaften gegenüber Einzelbewerbern.

Damit ist festzuhalten, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen so gestaltet sind, dass auch mittelständische Unternehmen vor Ort von PPP-Projekten profitieren. Bei den derzeit laufenden PPP-Projekten ist gemäß einer Untersuchung der PPP-Task Force des Bundes keine Benachteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen festzustellen.

Auch bei der Begleitung der niedersächsischen PPP-Modellprojekte soll geprüft werden, ob auch kleine und mittlere Unternehmen profitieren.

nach oben

Ist die Bildung von Bietergemeinschaften oder die Änderung ihrer Zusammensetzung auch noch nach dem Teilnahmewettbewerb bzw. der Angebotsabgabe möglich?

Grundsätzlich sind Bietergemeinschaften und andere gemeinschaftliche Bewerber den Einzelbewerbern nach den Bestimmungen der VOB und VOL gleichzusetzen und daher zum Wettbewerb zugelassen. Für den Baubereich unterliegt die Gleichstellung der Bietergemeinschaften mit Einzelbietern weitergehenden Anforderungen, wonach die Arbeiten im eigenen Betrieb oder in den Mitgliedsunternehmen ausgeführt werden müssen.

Im Rahmen eines Vergabeverfahrens muss der öffentliche Auftraggeber stets die Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Bieter prüfen, um die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes zu ermitteln. Einer Lockerung der bestehenden vergaberechtlichen Regelungen hinsichtlich der Bildung von Bietergemeinschaften oder der Änderung ihrer Zusammensetzung nach erfolgtem Teilnahmewettbewerb bzw. der Angebotsabgabe kann unter Hinweis auf den Wettbewerbs-, Transparenz- und Nichtdiskriminierungsgrundsatz nicht zugestimmt werden. Eine Bietergemeinschaft hätte ansonsten nach Zuschlagserteilung diverse Manipulationsmöglichkeiten in der Zusammensetzung der Mitglieder, so dass die im Vergabeverfahren geprüfte Eignung der Bietergemeinschaft nicht mehr gegeben sein könnte. Insoweit hätte das Prüfverfahren nur noch deklaratorischen Charakter. Damit liefen die Grundsätze und Ziele des öffentlichen Auftragswesens ins Leere.

nach oben

Ist der Mittelstand bei PPP-Projekten nicht schon aufgrund des in der Regel großen Projektvolumens, das von kleineren Unternehmen oftmals nicht bewältigt werden kann, benachteiligt?

Nein, nicht grundsätzlich. In Großbritannien, vor allem in Schottland, ist durch die zahlreichen PPP-Projekte sogar ein neuer Wirtschaftszweig entstanden, in dem sich vor allem mittelständische Unternehmen behaupten konnten. Für kleinere Unternehmen ist es sicherlich sinnvoll, sich mit anderen Unternehmen in Bietergemeinschaften zusammen zu tun und ein gemeinsames Angebot abzugeben. Ein anderer Ansatz könnte sein, sich zunächst als Nachunternehmer in einem PPP-Projekt zu engagieren und in einem weiteren Projekt selbst als Bieter aufzutreten.

nach oben

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln